Auch wenn es immer noch schwerfällt: Die Ära von Tom Brady bei den New England Patriots ist vorbei. Nun wird es Zeit für einen Blick in die Zukunft. Und dort wartet schon bald der NFL-Draft! Bei der Talenteziehung der Liga dürfen alle 32 Teams sich mit neuen Spielern aus dem College verstärken. Aber auf welchen Positionen brauchen die Pats eigentlich Hilfe? Wie viele Picks haben sie und was sind eigentlich diese Compensatory Picks? Alle Infos findest du hier.
Wie funktioniert der Draft?
Der NFL Draft 2020 findet vom 23. bis zum 25. April statt. Eigentlich ist der Draft jedes Jahr ein großes Spektakel, bei denen die frischgebackenen Ex-Collegespieler bei einem glamourösen Event ihren ersten großen Auftritt haben. NFL Commissioner Roger Goodell empfängt die jungen Talente auf einer Bühne, kurz nachdem ein Team sich für sie entschieden hat. Sie bekommen Trikot und Cap ihres neuen Teams und lassen sich von den Fans im Publikum feiern. Dieses Jahr findet der Draft jedoch aufgrund der Corona-Krise rein virtuell statt. Das heißt: Die Nachwuchsspieler sitzen alle bei sich zu Hause und auch Roger Goodell verkündet die Picks per Video aus seinem Haus. Emotional dürfte es trotzdem werden, schließlich geht für die Nachwuchstalente ein Lebenstraum in Erfüllung.
Der Draft besteht aus sieben Runden. Jedes Team darf pro Runde zunächst einen Spieler wählen. Die Reihenfolge ergibt sich aus dem Abschneiden der Teams in der vergangenen Saison: Das schlechteste Team 2019 darf als erstes picken, der Super-Bowl-Sieger als letztes. Deshalb haben die Cincinnati Bengals 2020 den allerersten Pick und die Kansas City Chiefs den 32. in jeder der 7 Runden. Allerdings kommt es jedes Jahr – sowohl in der Saison als auch in der Offseason und während des Drafts selbst – zu Trades und anderen Deals. Dadurch rutschen Teams nach oben oder unten in der Liste, manche haben mehr Picks als andere, manche haben mehrere Picks pro Runde oder auch gar keine Picks in einer Runde.
Hinzu kommen außerdem noch die sogenannten Compensatory Picks. Das sind Extra-Picks, die die NFL an Teams verteilt, die in der Vorsaison größere Abgänge zu verzeichnen hatten. Diese werden in der dritten bis siebten Runde des Drafts gültig. Insgesamt 32 dieser zusätzlichen Picks wurden 2020 auf 15 Teams verteilt, zusammengenommen werden also 255 Spieler gedraftet. Die New England Patriots haben dieses Jahr die maximale Menge an Compensatory Picks (4) zugesprochen bekommen.
Die meisten Draft-Picks insgesamt haben 2020 jedoch die Miami Dolphins: Sie dürfen 14 Spieler im Draft wählen. Das Schlusslicht bilden die Chiefs und Saints mit jeweils 5 Picks. Die New England Patriots sind mit ihren insgesamt 12 Picks allerdings auch sehr gut aufgestellt. Diese setzen sich wie folgt zusammen:
1. Runde: Pick 23
3. Runde: Picks 87, 98, 100
4. Runde: Picks 125, 139
5. Runde: Pick 172
6. Runde: Picks 195, 204, 212, 213
7. Runde: Pick 230
Die Patriots haben viele Picks in den späteren Runden. Doch das muss gar nichts heißen. Auch wenn die großen College-Stars und viele spätere NFL-Stars eher in den frühen Runden gedraftet worden sind, so haben besonders die Pats bewiesen, dass auch späte Draftpicks sehr wertvoll sein können. Das beste Beispiel hierfür ist natürlich nach wie vor Tom Brady, der im Jahr 2000 in der 6. Runde an Position 199 gedraftet wurde. Super-Bowl-MVP Julian Edelman musste sogar noch länger warten: Ihn pickten die New England Patriots 2009 erst in der 7. Draft-Runde an 232. Stelle.
Wo brauchen die Patriots Verstärkung?
Quarterback
Klar, der Abschied von Tom Brady schmerzt. Aktuell gilt Jarrett Stidham als voraussichtlicher Starter, während NFL-Veteran Brian Hoyer ihn als Backup unterstützen soll. Zwei Quarterbacks im Kader reichen aber nicht – es wird höchstwahrscheinlich ein weiterer hinzukommen. Möglich, dass Bill Belichick im Draft alle überrascht und in den frühen Runden einen Nachwuchs-Star draftet, der dann mit Stidham um den Job kämpfen soll. Wahrscheinlicher ist es allerdings, dass die Pats eher in den mittleren Draft-Runden nach einem Quarterback Ausschau halten. Dieser könnte dann von Brian Hoyer lernen und, je nach Performance von Stidham, mit ihm um den Starting-Job konkurrieren. Fest steht: Wer keinen soliden Starting-Quarterback im Kader hat, wird sich um diese wichtige Position kümmern müssen.
Kicker
Als Kicker-Legende Adam Vinatieri das Team 2006 verließ, holten die Pats zunächst den Veteranen Martin Gramatica, bevor Stephen Gostkowski gedraftet wurde. Dieser ist nun weg und Fans können sich auf eine ähnliche Herangehensweise einstellen. Nick Folk sprang letztes Jahr ein und ist immer noch verfügbar, er könnte eine gute Übergangslösung sein, bis man volles Vertrauen in einen jungen Rookie-Kicker setzt. Viele Experten sehen zum Beispiel Rodrigo Blankenship oder Tyler Bass als mögliche Draft-Kandidaten der Pats.
Offensive Line
Obwohl Joe Thuney mit dem Franchise Tag belegt wurde, bleibt die Überlegung, ihn zu traden. Denn in einem Jahr, in dem das Team viele große Spieler verloren hat und sich erst neu aufstellen muss, stellt sich die Frage, ob es sich lohnt, ihn mit einem dicken Einjahresvertrag auszustatten. Besonders, da die diesjährige Draft-Klasse einige sehr gute O-Liner bereithält. Mit dem ersten Pick der Patriots an Position 23 könnte gut und gerne noch ein Guard oder Tackle mit Starting-Potenzial verfügbar sein.
Defensive Tackle
Das Team hätte für einen jungen talentierten Defensive Tackle neben Lawrence Guy mit Sicherheit Verwendung. Denn sehr viel besser als die D-Line, die von Derrick Henry in Grund und Boden gelaufen wurde, ist sie trotz des Potenzials von Byron Cowart und Beau Allen aktuell leider nicht. Zwar sind in diesem Jahr keine herausragenden Defensive Tackles im Draft zu haben, aber auch in den mittleren Runden kann diese Position noch gut besetzt werden.
Wide Receiver
Mohamed Sanu musste sich – Berichten zufolge – in der Offseason einer Operation am Knöchel unterziehen. Damiere Byrd ist zwar ein guter Ersatz für Phillip Dorsett, aber trotzdem besteht noch Bedarf bei den Wide Receivern. Der Draft 2020 strotzt nur so vor zukünftigen Receiver-Superstars und auch außerhalb von Runde 1 wird noch Talent vorhanden sein. Besonders einen guter Slot-Receiver und Punt-Returner à la Julian Edelman mit Potenzial als verlässliche Third-Down-Waffe oder auch einen athletischen Receiver für außen würde den New England Patriots gut zu Gesicht stehen.
Linebacker
Die Pats haben wichtige Linebacker wie Jamie Collins, Kyle Van Noy und Elandon Roberts verloren. Diese Abgänge werden die sogenannte Front Seven des Teams erheblich verändern. Während Van Noy und Collins meistens außen eingesetzt worden, ist auch das Thema Inside Linebacker wichtig für das Team. Ja'Whaun Bentley könnte an der Seite von Dont'a Hightower eine größere Rolle einnehmen, aber neue, schnelle Spieler sind beinahe unerlässlich. Namen wie Patrick Queen oder Kenneth Murray landen bei vielen Experten in der ersten Runde bei den Patriots und würden gut passen. Im Draft einen so vielseitigen Linebacker wie Hightower zu finden, der sowohl Inside als auch Outside spielen kann, ist vielleicht unwahrscheinlich. Aber ein klassischer Middle Linebacker würde es zunächst auch tun.
Tight End
Dass die Pats in der Free Agency nichts in Sachen Tight End gemacht haben, war überraschend. Es war abzusehen, dass Ben Watson seine Karriere beendet – nun sind nur noch Matt LaCosse und Ryan Izzo im Kader. Vielleicht sieht Bill Belichick Potenzial in den beiden und möchte sie weiterentwickeln. Trotzdem scheint ein Neuzugang auf der Position unumgänglich. Im NFL Draft 2020 sind leider nicht viele gute Tight Ends zu haben. Es gibt einige gute Passempfänger und auch einige gute Blocker, aber sehr wenige, die beides gut vereinen. Möglich, dass die Pats gleich mehrere Tight Ends holen.
Pass Rush
Das wohl größte Problem der New England Patriots ist der Pass Rush. Defensive End Chase Winovich wird in seiner zweiten Saison unter Beweis stellen müssen, ob er das Zeug zum Kyle-Van-Noy-Ersatz hat. Derek Rivers musste zwei seiner ersten drei Saisons verletzungsbedingt beenden – ob er 2020 mehr beisteuern kann? Und hat Shilique Calhoun noch mehr im Tank als 2019? Vor dem Draft gibt es in Sachen Pass Rush eindeutig noch mehr Fragen als Antworten. Die Secondary der Pats ist talentiert und gut aufgestellt. Doch all das bringt nichts, wenn die Defense den gegnerischen Quarterback nicht erwischt. Wenn das Team auf dieser Position nicht handelt, wird es eng.