Sebastian Vollmer ist die größte Football-Legende Deutschlands – aber wer hätte gedacht, dass diese Legende bis zu ihrem 14. Lebensjahr vor allem in einem 50-Meter-Becken ihre Bahnen zog. Die Sportlerkarriere des heute 40-jährigen Kaarsters begann beim Neusser Schwimmverein. Sie endete auf der größtmöglichen Bühne für einen Footballer: als Super Bowl Champion.
Davor, danach und dazwischen liegen Jahre harter Arbeit und Disziplin, in denen Vollmer zu dem wurde, was auf dem Deckel seines ersten Buches steht: German Champion!
Vom Schwimmer zum Football-Talent
Es ist fast schon komisch, dass Sebastian Vollmer in jungen Jahren das besonders gut konnte, was ihm später als Beschützer von NFL-Superstar Tom Brady auf keinen Fall passieren durfte: ins Schwimmen geraten.
In einer Trainingsgruppe mit Schwimm-Weltmeister Thomas Rupprath zog der junge Vollmer um die Jahrtausendwende seine Bahnen. Erst mit 14 entdeckte er bei den Düsseldorf Panthern den American Football für sich – und von da an gab es kein Zurückblicken mehr.
In der Kaderschmiede des deutschen Footballs machte sich der Rookie seine Körpergröße von über zwei Metern (2,03 m) und Athletik zunutze – als Tight End blockte er für seine Mitspieler und war zusätzlich als Receiver ins Passspiel eingebunden. Mit den Panthern gewann er zweimal die deutsche Jugendmeisterschaft, den Junior Bowl. Düsseldorf wurde zum Sprungbrett für den Teenager, denn seine Leistungen blieben deutschland- und weltweit nicht unbemerkt.
Deutscher Riese in der weiten Welt
Mit der deutschen Nationalmannschaft reiste er 2003 zur Jugend-Weltmeisterschaft nach San Diego, wo College-Football-Scouts auf ihn aufmerksam wurden. Vollmer entschied sich schließlich, seine Karriere und Ausbildung an der University of Houston fortzusetzen.
Der Kaarster Junge im fernen Amerika. Zwischen diesen beiden Orten liegen Welten. Sebastian Vollmer schaffte es (mit etwas Anlauf), diese beiden Welten einander anzunähern. Von Startschwierigkeiten – 2004 nutzte der Neu-Student, um sich mit Sprache und Football-Taktik zurechtzufinden, 2005 wurde er am Rücken operiert – ließ er sich nicht beeindrucken. Tatsächlich halfen Vollmer die Football-Begriffe, um Englisch zu lernen, denn bei seiner Ankunft konnte er noch kaum ein Wort. Sich mit den Teamkollegen über Football unterhalten sei kein Problem gewesen, Smalltalk dagegen anfangs eher schwierig, erzählte er 2011 dem Nachrichtensender ESPN.
Aber Vollmer war diszipliniert und startete auf seiner neuen Position als Left Tackle (Quarterback-Beschützer) bald richtig durch. In seinem Abschlussjahr 2008 wurde er sogar ins Auswahlteam der Liga gewählt.
Klar, dass spätestens dann auch die Scouts der Profiteams den Namen Sebastian Vollmer auf dem Zettel hatten. Zwar wurde er nicht zum offiziellen Probetraining der NFL vor den Scouts der 32 Teams eingeladen, doch die New England Patriots rund um deren O-Line-Trainer Dante Scarnecchi hatten ihre Hausaufgaben gemacht und sich vom Können des dann 24-Jährigen überzeugt.
Den Besten aller Zeiten beschützt
Schon in der 2. Runde vom NFL Draft 2009 schlugen die Patriots zu und holten Vollmer nach New England. "Ich wusste, dass das eine gute Sache war, aber ich wollte sicherstellen, dass ich dort blieb", erinnerte er sich später.
Bei den Patriots bleiben, dafür gab Vollmer vom ersten Tag an alles. Direkt im ersten Saisonspiel kam er zum Einsatz. Beim 59:0-Rekordsieg gegen die Tennessee Titans am 6. Spieltag der Saison 2009 feierte Sea Bass (auf Deutsch: Wolfsbarsch), wie er von Mitspielern genannt wurde, sein Startelfdebüt. Immer wieder kam er nun für verletzte Kollegen zum Einsatz, ehe er sich in seiner zweiten Saison seinen Stammplatz als Right Tackle ganz rechts in der Offensive Line sicherte und am Ende der Spielzeit ins Auswahlteam der Liga gewählt wurde.
An der Seite von Star-Quarterback Tom Brady, als dessen Beschützer er eine zentrale Aufgabe bei den Patriots übernahm, gewann Vollmer zwei Super-Bowl-Titel (Super Bowl 49 und 51). Er war auf dem Football-Olymp angekommen.
Es habe nur zwei Möglichkeiten gegeben, sagte Vollmer 2018 der Süddeutschen Zeitung über seine Laufbahn: "Entweder du hörst auf oder du wirst besser." Für Vollmer zeigte die Leistungskurve in seiner Karriere oft nach oben – bis sein Körper ihm das Zeichen gab.
Von Rückschlägen durch Verletzungen kämpfte sich der O-Liner mühsam zurück. Doch am Ende traf er die Entscheidung, von nun an nicht mehr seinen Weggefährten Brady zu beschützen, sondern seinen eigenen Körper. Sebastian Vollmer verkündete am 16. Mai 2017 nach sensationellen 98 NFL-Spielen (zehn davon in den Playoffs) und sieben aktiven Saisons sein Karriereende.
Aber schon da wusste er, dass neue Herausforderungen auf ihn warten würden.
Die krasseste Transformation seit Transformers
150 Kilogramm wog Vollmer während seiner Profikarriere. Dieses Gewicht hielt er, indem er Olivenöl, Peanut Butter und Haferflocken in Massen zu sich nahm. Nach der aktiven Laufbahn war für ihn klar: Das zusätzliche Gewicht muss runter, um Knochen und Gelenke zu entlasten. Und wie so oft in seiner Karriere machte der 2,03-Meter-Mann keine halben Sachen.
Nicht nur körperlich begann für den deutschen Ex-Profi eine neue Zeitrechnung, sondern auch beruflich. Für ProSieben, DAZN und inzwischen für RTL ist er als Footballexperte im Einsatz und liefert als Insider Einblicke ins Leben der NFL-Stars sowie von Events wie dem NFL Draft oder Super Bowl. Sein Fachwissen und seine charismatische Art machten ihn schnell zu einem beliebten Analysten bei den deutschen Footballfans.
Für die New England Patriots ist er zudem als Botschafter aktiv und begleitet das Team dabei, den europäischen Markt zu erschließen. In dieser Rolle setzte er sich dafür ein, die Bekanntheit und Beliebtheit seiner Sportart American Football in Deutschland weiter zu steigern. Er arbeitete eng mit der NFL zusammen, um Events und Camps in Deutschland zu organisieren.
Bestimmt nur vorläufiger Höhepunkt für den heute 40-jährigen Vollmer: Der Auftritt seines Teams beim NFL Frankfurt Game am 12. November im Deutsche Bank Park in der Mainmetropole.
Durch seine TV-Präsenz und sein Engagement im Football hat Sebastian Vollmer nicht nur die Popularität des Sports in Deutschland weiter gesteigert, sondern auch eine neue Generation von Spielern inspiriert. Sein Werdegang vom Düsseldorfer Jugendspieler zur NFL-Legende und schließlich zum Botschafter und Experten ist ein beeindruckendes Beispiel dafür, wie Leidenschaft und harte Arbeit große Träume Wirklichkeit werden lassen können.